Jugend Eine Welt: "Zahnloses Lieferkettengesetz nun leider Realität" - "Misereor"-Menschenrechtsexperte: Ergebnis von Nachverhandlungen "beschämend"
Wien/Aachen/Brüssel, 09.12.2025 (KAP) Katholische Hilfsorganisationen haben die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes und weiterer Nachhaltigkeitsregeln scharf kritisiert. "Anstatt Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umweltstandards in die Pflicht zu nehmen, hat die EU eine große Chance verpasst, Kinder zu schützen", empörte sich Reinhard Heiserer, Geschäftsführer der österreichischen Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt, am Dienstag. Mit der Einigung über das sogenannte Omnibus-I-Paket, auf die sich EU-Kommission, Rat und Parlament in der Nacht verständigt hatten, werde ein "zahnloses Lieferkettengesetz nun leider Realität", so Heiserer.
"Es ist beschämend, dass die EU ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten von Näherinnen, indigenen Gemeinschaften, Landarbeitern und Kindern auf Kakaoplantagen steigern will", teilte auch der Menschenrechtsexperte des deutschen kirchlichen Hilfswerks Misereor Armin Paasch am Dienstag mit. "Die EU streicht jegliche Klimapflichten für Unternehmen und die EU-weite zivilrechtliche Haftungsregel für Menschenrechtsverletzungen aus der Lieferkettenrichtlinie", so Paasch. "Sie senkt das Höchstmaß der Zwangsgelder von fünf auf drei Prozent des weltweiten Nettoumsatzes von Unternehmen."
Scharfe Kritik von den Hilfsorganisationen gibt es auch dafür, dass nach dem nun ausverhandelten Regularium deutlich weniger Unternehmen als zuvor das Lieferkettengesetz anwenden müssen. Die Vorgaben sollen nur noch für Konzerne mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. In der ursprünglichen Version des Lieferkettengesetzes waren als Grenze noch 1.000 Beschäftigte und eine Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgesehen.
"Die ursprüngliche Intention des Lieferkettengesetzes war es, Menschenrechte zu stärken, Kinder- und Zwangsarbeit zu verhindern und Unternehmen in ihrer Produktionskette genau auf die Finger zu schauen, damit ihre Produkte und Güter nicht unter unmenschlichen Bedingungen oder sogar durch Kinderhände hergestellt werden", erklärte Jugend Eine Welt-Geschäftsführer Heiserer. Mit der neuen, "völlig zahnlosen Version" des Lieferkettengesetzes sei dies nicht mehr möglich.
An die österreichische Regierung appellierte Heiserer erneut, das Omnibus-Paket im Rat abzulehnen, "obwohl der Beschluss wohl nur noch reine Formsache ist", wie der Jugend Eine Welt-Geschäftsführer erkannte. Misereor-Experte Paasch nahm auch die Europaabgeordneten in die Pflicht. Bei der geplanten Abstimmung im Europäischen Parlament am 16. Dezember sollten sie "Haltung und Zivilcourage zeigen und mit Nein stimmen, um die häufig beschworenen europäischen Werte zu verteidigen".